Annette Kirchner-Schröder – Zahnärztin ohne Grenzen

Menschen mit Mut zum Engagement

Sendung am Samstag, 13.11.2010, 16.00 bis 19.00 Uhr

„Wir haben Leute erlebt, die 25 Kilometer zu Fuß laufen, um sich einen Zahn ziehen zu lassen.“ Zweimal im Jahr fährt die Zahnärztin Annette Kirchner-Schröder aus Rodenbach bei Kaiserslautern nach Rumänien. Dort behandelt sie kostenlos die Menschen, die sich keinen Zahnarzt leisten können – und erlebt viel Elend, aber auch große Dankbarkeit.

„Hurra, der Zahnarzt kommt!“ freuen sich die Menschen im rumänischen Bădăcin, wenn Annette Kirchner-Schröder mit ihrer mobilen Zahnarztpraxis in den Karpaten auftaucht. Die gebürtige Berlinerin, die schon seit 20 Jahren in der Pfalz lebt, hat eine Praxis in Rodenbach. Weil ihre zwei Kinder jetzt groß genug sind, erfüllt sie sich einen lang gehegten Wunsch: Zweimal im Jahr macht sie sich auf, um ihr Können denen angedeihen zu lassen, die sonst ohne Hilfe bleiben.

Armut sorgt für erschreckend schlechte Zähne

Weil es in Rumänien keine Krankenversicherung gibt, müssen die Menschen ihre Arztkosten selbst bezahlen. Und die Armut ist groß. „Beim ersten Mal war ich über die Gebisszustände entsetzt“, erzählt Annette Kirchner-Schröder, „solche Zustände habe ich in über 20 Jahren Praxiserfahrung noch nicht gesehen.“ Schon bei Zehnjährigen sind die Backenzähne zerstört, sie haben riesige Löcher in den Frontzähnen – mancher Jugendliche besitzt überhaupt kein Gebiss mehr. Zur mangelnden Aufklärung kommt zu viel Zuckerkonsum. Die Eltern arbeiten oft im Ausland, die Kinder sind sich selbst überlassen.

Besonders schlimme Zustände in Behindertenheimen

Für Erst- und Drittklässler hat Annette Kirchner-Schröder Reihenuntersuchungen gemacht und ein Prophylaxe-Programm begonnen, wie man es so ähnlich aus Deutschland kennt. Was sich in Deutschland niemand vorstellen kann, sind die Zustände in den Heimen für Behinderte: „Hier gibt der Staat gar kein Geld aus, damit diese Menschen zum Zahnarzt gehen“, entrüstet sich die Pfälzerin, „und selbst wenn sie eigenes Geld haben, nimmt sie kein rumänischer Zahnarzt dran, weil diese die Behandlung von Behinderten ablehnen.“

Behandlung oft psychisch belastend

Zwei Tage lang hat Annette Kirchner-Schröder dort 50 Menschen behandelt, hundert Zähne entfernt, viele Behinderte von monatelangen Schmerzen befreit. Bis zu zehn Stunden schafft die Rodenbacherin am Stück – bis es rein psychisch nicht mehr geht: „Manchmal ist die Behandlung sehr anstrengend, da auch Schwerbehinderte dabei sind, die gar nicht sprechen können oder während der Behandlung schreien – und z.T. auch festgehalten werden müssen, damit sie nicht um sich schlagen.“

Viel Arbeit und viel Dankbarkeit

„Ich opfere mich bei meiner Arbeit nicht nur für andere auf, sondern bekomme auch ganz viel geschenkt.“

Für die Behinderten ist der Besuch der deutschen Zahnärztin ein Höhepunkt in ihrem eintönigen Leben, von dem sie lange zehren. Nach jedem Einsatz ist Annette Kirchner-Schröder nicht nur erschöpft, sondern auch glücklich: „Ich bin dankbar, wie mein Leben bisher gelaufen ist, dass ich von größeren Schicksalsschlägen bisher verschont geblieben bin. Von dieser Dankbarkeit möchte ich ein Stück weitergeben an andere, die es vielleicht nicht so gut hatten.“

Daniela Engelhard