Kurzbesuch in Luncani im Juni 2021
Mitte Juni nahm ich das erste Mal seit langem wieder das Flugzeug, um mir in Luncani einen Überblick über die begonnenen Arbeiten zu verschaffen und mich umzuhören, wo „der Schuh besonders drückt“. Dank des Abflauens der Pandemie und meines vollständigen Impfschutzes war diese Stippvisite möglich geworden.
Die Woche war sehr abwechslungsreich und es gab unterschiedliche Probleme zu lösen. Zuerst einmal schaute ich mir das Projekt „Umgestaltung des Außengeländes des Vereinshauses“ an. Die Vorarbeiten zur Anlage einer größeren Terrasse waren bereits gemacht worden. Dank Euch, liebe Sponsoren, konnte ich weiteres Baumaterial einkaufen. Viele Jugendliche waren unter der Anleitung von Sandu an der Arbeit beteiligt, jeder nach Alter und Fähigkeiten. Die Jüngeren (10-13 Jahre) schafften das Baumaterial mit der Schubkarre heran, brachten die Pflastersteine an Ort und Stelle und säuberten am Ende des Arbeitstages die Werkzeuge. Die Älteren (17-20-jährige) mischten Beton, verfestigten ihre Fähigkeiten beim Umgang mit Baumaschinen und griffen da zu, wo kräftiges Zupacken nötig war. Einige ehemalige Schützlinge des Vereins, nun schon zwischen 30 und 40 Jahre alt und extra aus dem 50km entfernten Cluj Napoca angereist, waren für die Feinarbeiten zuständig, und so konnte im Laufe der Woche die Baustelle fast beendet werden.
Wie Ihr seht, erfüllen diese Baustellen mehrere Aufgaben. Die Jugendlichen packen gemeinsam etwas an und lernen dabei Grundzüge des Baugewerbes, um später auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben. Sie bekommen zudem ein Gefühl für Teamarbeit und werden selbstbewusster, wenn sie ein konkretes Ergebnis ihrer Arbeit sehen. Sie erkennen, das Ausdauer gefragt ist, wenn man etwas erreichen will, egal, ob die Sonne heiß vom Himmel brennt, wie in dieser Woche, oder einem ein kalter Wind um die Nase bläst.
Diese Terrasse soll ein Ort der Gemeinschaft werden. Im Sommer wollen wir sie für Aktivitäten mit Kindern aus der Siedlung in Luna nutzen (Malen, Basteln, Sommerschule), aber auch um Geburtstage zu feiern, zu Grillen oder einfach nur mal gemütlich zusammen zu sitzen.
Daneben kümmerte ich mich um Toto (siehe Portrait). Er hatte einige Tage im Krankenhaus verbracht und kam sehr geschwächt nach Hause zurück. Zuerst erkannte er niemanden mehr, aber nach ein paar Tagen intensiver Zuwendung, begann er wieder zu sprechen und am Ende konnten wir ihn sogar mit dem Rollstuhl in das 200 m entfernte Vereinshaus fahren, um ihn zu duschen und ihn zum Abendessen einzuladen.
Auch Memo von der Siedlung ICAR, unser frisch gebackener Vater, hatte gesundheitliche Probleme. Auf der Fahrt zur Arbeit in Deutschland bekam er Krämpfe, Muskelzuckungen undstürzte bewusstlos zu Boden, wobei er sich Verletzungen im Gesicht zuzog. Zurück in Rumänien gingen Gerhard und ich mit ihm zum Arzt (natürlich hat er keine Krankenversicherung, wie fast niemand hier), um eine Blutuntersuchung vornehmen zu lassen. Die Analyse ergab einen akuten Magnesiummangel sowie ein stark erhöhter Kaliumspiegel im Blut. Wir bezahlten die Arztrechnung und kauften Medikamente für ihn und ließen ihn mit seiner Frau und seinem Baby Alexandra ein paar Tage im Vereinsheim wohnen, damit sich sein Zustand stabilisieren konnte. Fast alle jungen Leute hier haben eine sehr ungesunde Lebensweise. Das ist zum großen Teil auf die traditionelle Ernährung (Fleischmit Fleisch – und nicht etwa mit Gemüse) und auf Unwissenheit zurückzuführen. Es fehlen aber auch gute Vorbilder und vor allem mangelt es regelmäßig an Geld, um sich gesund ernähren zu können.
Auch Kati und Valentin stattete ich mehrere Besuche ab. Sie haben sich eine Ente mit Jungen gekauft und hinter dem Häuschen eine Fläche betoniert, wo sie später eine Sitzecke gestalten möchten. Außerdem wollen sie im Oktober nun auch kirchlich heiraten.
Die übrige Zeit griff ich Ioan Dobos (siehe Portrait) in der Küche unter die Arme. Spaghetti Carbonara ist immer sehr beliebt und die riesigen Töpfe werden bei einem guten Dutzend Essern schnell leer. Außerdem entdeckte ich einen Brotautomaten unter den Sachspenden. Damit kam etwas Abwechslung auf, denn in der Regel gibt es dort das billige Weißbrot, das nur nach Pappe schmeckt. So haben wir Weißbrote mit Speck, Zwiebeln und Kräutern sowie Vollkornbrote gebacken. Im Handumdrehen war alles aufgegessen.
Das Flugzeug bracht mich nach dieser Woche rasch nach Hause, jedes Mal ein krasser Wechsel, auch wenn ich diesen Spagat zwischen zwei Welten nun schon so oft gemacht habe. Ich bedanke mich bei Euch Allen, die Ihr unsere Arbeit unterstützt. Ihr macht diese vielfältige Hilfe erst möglich. Die Menschen vertrauen auf Euch und sind voll des Lobes für „Die Deutschen“. Also: Wir lassen nicht locker! Herzlichst Eure Annette